Warum jetzt wieder häufiger ans Netz?
Die letzten Runden der US Open 2025 hatten einen klaren Trend: mehr Angriffe nach vorn. Semifinalisten gingen rund 15 Prozent häufiger ans Netz als im Hardcourt-Saisonmittel. Der erste Volley landete überdurchschnittlich oft tief und mittig, häufig auf den Körper. Kommentatoren betonten den Two-Step-Close nach dem Split, damit niemand an der T-Linie hängen bleibt.
Für aggressive Grundlinien-Spieler ist das eine Einladung. Der Bodenbeschuss bleibt deine Identität. Aber der Punkt endet früher, wenn du die Lücke erkennst, richtig schließt und den ersten Volley in die passende Zone setzt.
Kernidee: Angreifen, schließen, neutralisieren. Erst die Winkel wegnehmen, dann auflösen.
Ich bin USPTA-Coach, laufe Halbmarathon in 1:32, und ich denke in Mustern. Wie im Lauftraining: Du gewinnst nicht, indem du nur schnell sprintest. Du gewinnst, wenn du die Übergänge sauber triffst. Im Tennis ist der Übergang die Annäherung und der erste Volley.
Die drei Bausteine des Playbooks
- Triggers: Wann gehst du los?
- Footwork: Two-Step-Close nach dem Split
- First-Volley-Map: wohin mit dem ersten Kontakt am Netz
Dazu kommen Drills mit klaren Wiederholungen, ein einfacher Test und ein 2‑Wochen-Mikrozyklus, der dich von Idee zu Umsetzung bringt.
Triggers: Entscheidung in unter 0,5 Sekunden
Definiere vor dem Match, welche Bälle du konsequent angreifst. Das reduziert Zögern.
- Kurz und neutral: Ball springt innerhalb des Servicefeldes, kein massiver Spin zurück. Greife die längere Linie an, die du offengelegt hast.
- Gegner tief hinter der Grundlinie: Besonders nach schwerer Cross-Rally. Nimm Tempo raus mit Slice oder schwerem, flachem Drive, dann vor.
- Off-Balance-Gegner: Sieht man an offenem Stand und späten Treffpunkten. Sofortiger Line-Approach.
- Weicher, hoher Rückschlag: Kick, der zu lange hängt. Nimm den Ball früh und vor.
- Short-Angle-Trigger: Du hast den Gegner aus dem Feld gezogen. Greife in die freie Seite, aber plane deinen ersten Volley mittig.
Entscheidungsregel: Wenn du 70 Prozent sicher bist, geh. Zögern kostet Meter und Winkel.
Two-Step-Close: So schließt du die Distanz
Begriffsklärung: Der Two-Step-Close beschreibt zwei entschlossene Schritte nach dem Split Step, um sich vom Servicefeld bis auf etwa 2,5 bis 3 Meter ans Netz zu bringen. Ziel: erster Volley auf Hüfthöhe, Brust vor Ball, Schläger ruhig.
Ablauf:
- Split auf Gegnerkontakt. Nicht zu früh, nicht zu spät. Orientierung ist das Geräusch des Balltreffpunkts.
- Lese die Richtung. Kreuzt der Pass? Geht er auf deinen Körper? Oder Linie?
- Zwei Schritte schließen:
- Schritt 1: Vorwärts mit dem Außenfuß in Spielrichtung. Groß, druckvoll.
- Schritt 2: Nachsetzen mit dem Innenfuß, Körpergewicht nach vorn, Schlägerkopf ruhig vor der Brust.
- Stoppen in stabiler Position, Knie weich, Schultern ruhig. Hände vorn.
Cues:
- Split auf Ton, Close auf Bild.
- Brust zeigt dorthin, wo der Schläger stoppen soll.
- Hände vor Hüfte, keine Ausholkreise.
Häufiger Fehler: Nach der Annäherung kommt gar kein Close, nur ein Split auf der T-Linie. Ergebnis: Passwinkel bleiben offen. Lösung: Bewusst zwei Schritte nach dem Split. Zähle laut: „Split, eins, zwei“.
First-Volley-Map: Winkel stoppen, Tiefe gewinnen
Zielzonen für den ersten Volley hängen davon ab, wo du herkommst und wo der Gegner steht. Nach den US-Open-Trends funktioniert eine pragmatische Karte besonders gut:
- Mittel/tief auf den Körper: Primärziel, wenn der Gegner in Bewegung ist oder die Distanz noch groß ist. Reduziert Winkel, erzwingt kurzen, zentralen Pass.
- Mittel/tief in den offenen Korridor: Nur wenn der Gegner stark überkompensiert. Beispiel: Du kamst über Vorhand cross, Gegner überläuft in die deuce-Ecke. Dann volley tief in die ad-Mitte.
- Kurz in die offene Seite: Erst als Finisher, nicht als erster Volley, außer der Gegner steht deutlich hinter der Grundlinie und ist spät.
- Gegen die Laufrichtung: Wenn der Pass schon lesbar ist und du nah genug bist, um zu platzieren.
Praktische Orientierung auf dem Court:
- Lege zwei Handtücher oder Hütchen: Eines mittig, tief hinter die T-Linie. Eines mittig, aber leicht zur Körperseite des Gegners versetzt. Das sind deine Standardziele.
Grundsatz: Der erste Volley ist kein Winner. Er ist ein Winkel-Killer.
Drills: Vom Muster zur Motorik
Alle Drills enthalten klare Wiederholungen, Pausen und Coaching-Cues. Tracke deine Quote in OffCourt, damit du Fortschritte sichtbar machst.
Drill 1: Two-Step-Close Ladder
Ziel: Split-Timing und zwei entschlossene Schließschritte automatisieren.
- Aufbau: Markiere die T-Linie mit Tape. Stelle zwei Hütchen 2,5 Meter vor der T-Linie, mittig links und rechts.
- Ablauf Stufe 1 (Handfeed): Coach steht an der Grundlinie. Spieler startet auf der T-Linie, Blick nach vorn.
- Coach klatscht. Spieler macht Split auf das Klatschen, dann zwei schnelle Schritte bis Höhe Hütchen. Coach feedet einen leichten Ball auf Körper. Volley mittig zurück auf Zieltuch.
- Wiederholungen: 4 Sätze x 8 Bälle pro Seite.
- Pause: 60 Sekunden zwischen Sätzen.
- Cues: „Split auf Ton. Eins-zwei nach vorn. Hände ruhig.“
- Progression Stufe 2 (Live feed): Coach schlägt neutral von der Grundlinie. Spieler approacht, split, two-step-close, erster Volley auf Körperzone.
- Qualitätsziel: 75 Prozent der ersten Volleys landen tief mittig.
Drill 2: Approach-Trigger Circuit
Ziel: Erkennen und losgehen ohne Zögern.
- Aufbau: Coach mit Korb. Markiere drei Zonen kurz im Feld: kurz neutral, kurzer Winkel, hoher Floater.
- Ablauf: Coach ruft die Zone an, feedet entsprechend. Spieler entscheidet Schlagart des Approaches:
- Kurz neutral: flacher Drive in die offene Seite.
- Kurzer Winkel: Slice durch die Feldmitte oder Inside-In in die freie Seite.
- Floater: Früher Treffpunkt, druckvoll, dann vor.
- Danach Split, Two-Step-Close, erster Volley mittig/tief.
- Wiederholungen: 3 Zyklen je 12 Bälle, randomisiert.
- Pause: 90 Sekunden zwischen Zyklen.
- Cues: „Entscheiden vor dem Ball. Close erzwingt Fehler.“
- Score: Zähle nur komplette Ketten: guter Approach + mittiger erster Volley. Ziel 8 von 12.
Drill 3: First-Volley Body Map
Ziel: Erste Kontaktzone festigen, Winkel schließen.
- Aufbau: Zwei Zieltücher mittig tief, 1 Meter links und rechts der Mittelmarkierung. Ein drittes Tuch kurz, falls Finisher möglich.
- Ablauf: Coach spielt aus Rally eine neutrale Crossball-Sequenz. Nach 3 bis 5 Bällen feedet der Coach eine kurze Vorlage. Spieler approacht entlang der längeren Linie, split, two-step-close, erster Volley auf Körper-Tuch.
- Wiederholungen: 5 Sätze x 6 Bälle.
- Pause: 60 bis 90 Sekunden.
- Cues: „Schläger vor der Brust. Kontakt vor dem Körper. Keine Ausholbewegung.“
- Bewertung: 70 Prozent Treffer auf die zwei Körper-Tücher. Treffer auf das kurze Tuch nur als Finisher nach bereits gutem ersten Volley.
Drill 4: Serve-Plus-One to Net
Ziel: Aufschlagmuster nutzen, früher schließen.
- Aufbau: Ziele im Aufschlagfeld markieren: Körper in die Ad-Box und T in die Deuce-Box.
- Ablauf: 6er-Serien. Nach dem Aufschlag kommt der Return zentral zurückgespielt. Plus-One in die offene Seite, sofort vor, Split, Two-Step-Close, erster Volley mittig.
- Wiederholungen: 6 Serien x 6 Punkte.
- Pause: 90 Sekunden.
- Cues: „Plus-One entscheidet Richtung. Volley nimmt Winkel.“
- Zielquote: 65 Prozent Punktgewinn pro Serie.
Drill 5: Reaktionspass und Split-Rhythmus
Ziel: Passwinkel lesen, Körper passiv zentralisieren.
- Aufbau: Coach 5 Meter hinter der Grundlinie. Spieler steht auf T-Linie. Coach schlägt variabel auf Linie, Körper, Cross.
- Ablauf: Spieler macht Split auf Kontakt, Two-Step-Close nur, wenn die Tiefe passt. Sonst Micro-Close: ein kurzer Schritt und Abfangvolley.
- Wiederholungen: 4 Sätze x 10 Bälle.
- Pause: 60 Sekunden.
- Cues: „Augen über Ball. Kleine Schritte nach der Landung. Kontakt ruhig.“
Ein einfacher 20-Approaches-Test
Ziel: Konversionsrate sichtbar machen.
- Setup: Spiele mit einem Partner 20 echte Rallypunkte, bei denen du bei erster Gelegenheit angreifen musst.
- Notiere pro Punkt:
- A: War der Approach begründet? (1 Ja, 0 Nein)
- S: Split auf Kontakt? (1 Ja, 0 Nein)
- C: Two-Step-Close erfolgt? (1 Ja, 0 Nein)
- V: Erster Volley mittig/tief? (1 Ja, 0 Nein)
- P: Punkt gewonnen? (1 Ja, 0 Nein)
- Ziele:
- A ≥ 16, S ≥ 16, C ≥ 14, V ≥ 14, P ≥ 13.
- Interpretation:
- Tiefes V, aber schwaches P: Nachvolley-Entscheidung trainieren.
- Gutes A, schwaches S/C: Timing-Drills 1 und 5 priorisieren.
Lege dir in OffCourt ein einfaches Scorecard-Template an. Gleiche die Kennzahlen jede Woche ab.
Muster aus deuce- und ad-Seite
- Deuce-Seite:
- Häufiger Trigger: Cross-Forehand zieht Gegner nach außen. Approache Linie in die ad-Seite. Erster Volley mittig auf Körper. Nächster Ball kurz in die offene Seite.
- Ad-Seite:
- Trigger: Langer Backhand-Cross, Gegner driftet. Bekannter Fehler: sofort kurz ablegen. Besser: erster Volley tief mittig, dann Abschluss lang in die freie Ecke.
Zwei Regeln, die dich öfter punkten lassen:
- Wenn du von außen kommst, spielt der erste Volley durch die Mitte.
- Wenn du zentral kommst, spielt der erste Volley gegen die Laufrichtung, aber immer tief.
Häufige Fehler und schnelle Fixes
- Hängenbleiben an der T-Linie
- Fix: Two-Step-Close laut zählen. Markierungen 2,5 Meter vor das Netz legen.
- Ausholen beim Volley
- Fix: Schläger vor der Brust parken. Nur kurzer Vorstoß aus dem Unterarm.
- Zu viel Winkel beim ersten Volley
- Fix: Ziele auf Körper-Tücher, nicht auf Linien. Denke „durch ihn, nicht um ihn“.
- Zu frühes oder spätes Split
- Fix: Split auf Ton. Übe mit Klatschen oder Ausruf „Hit“.
- Approach ohne Plan
- Fix: Vor dem Schlag Entscheidung treffen. Nutze die Triggerliste.
2‑Wochen-Mikrozyklus: Vom Trend zur Gewohnheit
Das ist ein Match-Play-Mikrozyklus für aggressive Grundlinienspieler. Vier On-Court-Einheiten pro Woche plus kurze Off-Court-Blöcke. Passe Volumen an dein Turnierfenster an.
Woche 1
- Tag 1: Technik + Muster
- Warm-up 15 min, inkl. Split-Rhythmus.
- Drill 1 Two-Step-Close Ladder: 4x8 pro Seite.
- Drill 3 First-Volley Body Map: 5x6.
- Serve-Plus-One to Net: 4 Serien x 6.
- Cooldown, 5 min Notizen in OffCourt.
- Tag 2: Entscheidung + Reaktion
- Drill 2 Approach-Trigger Circuit: 3x12.
- Drill 5 Reaktionspass: 4x10.
- 15 Minuten punktbasiert: Nur nach Trigger angreifen.
- Tag 3: Belastung gering
- Off-Court 25 min: Sprungseil 5x60 s, Koordinationsleiter 3x60 s, Core 10 min. Fokus Fußgeschwindigkeit.
- Tag 4: Match-Integration
- 2 Sätze Übungs-Match. Ziel: 15 bis 20 Netzangriffe. Tracke Konversion in OffCourt.
Woche 2
- Tag 1: Qualität heben
- Drill 1 Progression Live feed: 4x8.
- Drill 3: 5x6 mit engeren Zielen.
- Serve-Plus-One to Net: 6 Serien x 6.
- Tag 2: Drucksimulation
- Tie-break-Format bis 7. Pflicht: Erster freie Ball wird Approach.
- Jeder verlorene Netzpunkt gibt 10 Sekunden Plank, um Fokus zu schärfen.
- Tag 3: Regeneration aktiv
- Mobility 20 min, leichte Läufe 20 min in Zone 2. Wie im Lauftraining: lockere Dauerläufe halten dich frisch.
- Tag 4: Testtag
- 20-Approaches-Test durchführen. Werte in OffCourt speichern.
- Video 10 Sequenzen, prüfe Split und Close. Zwei Clips als Best Practice markieren.
Richtwerte: Wenn P im Test unter 13 bleibt, Woche 2 wiederholen. Priorisiere Drill 1 und 3.
Coaching-Notizen für Trainer
- Setze klare Reps und Zielzonen. Ohne Ziel verliert der Volley seine Aufgabe.
- Zähle laut den Rhythmus. „Hit. Split. Eins. Zwei.“
- Constraint first: Erlaube zu Beginn nur mittige erste Volleys. Winkel erst in Woche 2 freigeben.
- Simple KPIs: Approaches pro Satz, erster Volley mittig, Konversion. In OffCourt als drei Spalten tracken.
Mentale Routine zwischen den Punkten
- Atem 3-7-11: Drei ruhig, sieben halten, elf aus. Senkt Puls nach langen Rallys.
- Cue-Wort vor dem Return oder vor dem Aufschlag: „Mitte zuerst“. Es erinnert an die First-Volley-Map.
- Reset bei Fehler: Saiten ordnen, Blick auf Zieltuch, nächster Punkt.
Kleine Ausrüstungshilfe
- Weichere Polyspannung kann die Ballhaltezeit erhöhen. Für den Volley hilft das Gefühl. Teste in 2-Pfund-Schritten über drei Einheiten. Dokumentiere die Fehlertypen in OffCourt.
Kurzfallbeispiel aus der Praxis
Ich habe in der US-Open-Woche mit einem College-Baseline-Hitter gearbeitet. Er ging selten vor, gewann aber nur 42 Prozent langer Rallies gegen schnellere Verteidiger. Wir verordneten 40 Pflicht-Angriffsaktionen pro Woche. Nach fünf Einheiten, Fokus mittiger erster Volley und Two-Step-Close, stieg seine Netzkonversion im Trainingsmatch von 54 auf 67 Prozent. Gleiches Muster wie in New York: weniger Winkel, mehr Tiefe, mehr Punkte.
Zusammenfassung
- US Open 2025 zeigte: Mehr Ansätze ans Netz, erster Volley mittig/tief, Two-Step-Close unverhandelbar.
- Triggers reduzieren Zögern. Footwork schließt Winkel. Die First-Volley-Map entscheidet über einfache Punkte.
- Mit den Drills, dem Test und dem 2‑Wochen-Plan bringst du das Muster in deinen Matchalltag.
Keep it simple: Mitte zuerst, dann beenden.
On-Court-Checkliste
- Split auf Ton, Two-Step-Close laut zählen.
- Erster Volley nicht auf die Linie, sondern auf den Körper.
- Trigger vorher definieren: kurz neutral, kurzer Winkel, Floater, Gegner tief.
- Zieltücher liegen. Ohne Ziele kein Training.
- Konversionstabelle in OffCourt führen.
Nächste Schritte
- Heute: Drill 1 und Drill 3, insgesamt 45 Minuten, Zielquote 70 Prozent auf die Körper-Tücher.
- Morgen: 20-Approaches-Test, KPIs notieren.
- Diese Woche: Mikrozyklus Woche 1 vollständig durchziehen.
- Nächste Woche: Mikrozyklus Woche 2, dann erneuter Test und Feinschliff auf Matchform.